Schlichten statt Richten

 

 
 

Nicht jeder Rechtsstreit muss automatisch mit einem Richterspruch enden. Viele Bürgerinnen und Bürger legen Streitigkeiten mittlerweile auch ohne Urteil bei. Diese "sanften" Lösungsverfahren will die Bundesregierung noch stärker fördern.
 
 

 

 
Der Zwist über den Gartenzaun. Das Zerwürfnis am Frühstückstisch. Nicht selten kann aus Differenzen ein handfester Streit erwachsen, der bis vor den Kadi führt. Allein die Zivilgerichte erreichen in der Eingangsinstanz jährlich mehr als 1,6 Millionen neue Verfahren.
 
 

Die Experten für Streit

 
Immer mehr Bürgerinnen und Bürger nutzen andere Wege, um Streit ohne förmlichen Richterspruch beizulegen. So stehen in einigen Branchen so genannte Schlichtungsstellen bereit – beispielsweise bei Ärztekammern oder im Finanzwesen. Vereinzelt bieten auch so genannte Ombudsleute ihre Dienste an. Das ist zum Beispiel im Versicherungswesen der Fall. Doch auch außerhalb solcher Einrichtungen können Streitende Abhilfe suchen – mithilfe von Schlichtern, auch Mediatoren genannt.
 
Was ist Mediation?Mediation ist ein Verfahren, bei dem streitende Parteien freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Lösung anstreben. Dazu ziehen sie einen neutralen Dritten heran. Dieser Mediator hat keine Entscheidungsbefugnis. Ziel ist vielmehr, dass die Streitenden sich selbst auf einen Ausweg einigen. Der Mediator soll in einem vertraulichen Rahmen den Austausch der Streitenden fördern und unterstützen. Das kann Zeit und Kosten sparen und auch menschlich weniger belastend sein. Denn wer eigenverantwortlich nach Ausgleich sucht, kann häufig besser mit dem Ergebnis der Einigung leben als mit einem Urteil "von oben". Darum ist Mediation besonders dann sinnvoll, wenn die Beteiligten auch nach dem Streit miteinander auskommen müssen: in Familien, unter Nachbarn oder im Beruf.
 
Bei Bürgerinnen und Bürgern genießt die Mediation bereits jetzt hohes Ansehen: Nach einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach ist die Hälfte der Bevölkerung der Auffassung, dass die Zahl der Prozesse in Deutschland mithilfe von Mediationsverfahren erheblich vermindert werden könnte.
 
Doch so aussichtsreich Mediation auch ist, so wenig übersichtlich sind derzeit noch die Voraussetzungen und das Verfahren. Denn verbindliche gesetzliche Regelungen gibt es zur Mediation noch nicht.
 

Qualitätssicherung per Gesetz

 
Um Klarheit zu schaffen, hat die Bundesregierung im Januar einen Gesetzentwurf beschlossen. Die Regelung, die noch vom Parlament verabschiedet werden muss, soll die Eigenständigkeit der streitenden Parteien stärken und gleichzeitig helfen, die Gerichte zu entlasten. Außerdem sollen für das Mediationsverfahren bundesweit einheitliche Regeln gelten. Insbesondere Rolle und Qualifikation der Mediatoren werden klarer definiert:
 
  • Schlichter müssen unabhängig und neutral sein, in der Sache selbst dürfen sie nicht entscheidungsbefugt sein.
  • Sie werden zu Aus- und Fortbildungen verpflichtet.
  • Wichtige Voraussetzung der Mediation ist die Vertraulichkeit. Aus diesem Grund sollen Mediatoren ein Zeugnisverweigerungsrecht bezüglich ihrer Tätigkeit erhalten.
  • In jeder Klageschrift soll künftig stehen, ob vorher ein Mediationsversuch erfolgt ist oder nicht. Die Mediation wird dadurch nicht zur Pflicht. Aber die Betroffenen werden so darauf aufmerksam gemacht, dass sie ihren Konflikt womöglich einvernehmlich per Mediation beilegen könnten.

 

Keine Verlierer

 
Die Mediation hat gegenüber dem Prozess einen großen Vorteil: "Einen Verlierer gibt es nicht", sagt Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Denn eine Lösung ist nur möglich, wenn beide Streitparteien damit einverstanden sind. Wenn die Parteien zu einer Einigung kommen, dann können sie diese, zum Beispiel in einem Zivilverfahren vor einem Amtsgericht, für vollstreckbar erklären lassen. Sie erhalten so eine sichere Grundlage für die Folgen ihrer Einigung.
 

Nie zu spät

 
Sogar nach dem Beginn eines Prozesses ist es für eine Mediation noch nicht zu spät. Neben der außergerichtlichen Mediation kennt das Gesetz auch die begleitende gerichtsnahe Mediation, die zu einem bereits vor Gericht verhandelten Rechtsstreit stattfindet. Selbst im Gerichtssaal ist Mediation nicht ausgeschlossen: Im Rahmen eines Gerichtsverfahrens kann grundsätzlich auch ein Richter als Mediator wirken. Mit dem neuen Gesetz wird diese so genannte gerichtsinterne Mediation bundesweit für Zivil-, Arbeits-, Familien-, Sozial- und Verwaltungsgerichte geregelt.

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