Mit Bürgerarbeit zurück in den Arbeitsmarkt

 
Sabine Albrecht (40) ist Bürgerarbeiterin. Vier Jahre war die gelernte Hauswirtschafterin arbeitslos, seit Anfang März arbeitet sie im Klostermuseum Dalheim in der Nähe von Paderborn. Dort hilft die 40-jährige im Garten, harkt Laub, baut Zelte auf und bereitet Ausstellungen und Feste vor – gemeinnützige Aufgaben, die ansonsten in der Form nicht erledigt werden könnten.
 
Die Bundesregierung hat im letzten Sommer das Modellprojekt "Bürgerarbeit" zur Integration von Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt gestartet. Nach einer ersten sechsmonatigen Erprobungsphase, auch Aktivierungsphase genannt, läuft seit Mitte Januar 2011 die eigentliche Beschäftigungsphase. Hierfür hat das Bundesverwaltungsamt bundesweit bisher über 4.300 Stellen bewilligt.
 

 

 

 

Zusätzlich und gemeinnützig

 
Die Bürgerarbeit muss zusätzlich sein und der Allgemeinheit nutzen. Das heißt, es darf kein Unternehmen geben, das die Tätigkeit anbietet. Denn sie darf keine regulären Arbeitsplätze verdrängen.
 
Sabine Albrecht und rund 400 weitere ehemalige Arbeitslose haben an der Aktivierungsphase des Jobcenters Paderborn teilgenommen. 89 von ihnen haben es inzwischen in den ersten Arbeitsmarkt geschafft, die Hälfte in Vollzeit. Im Kreis Paderborn sind 120 Bürgerarbeitsstellen geplant, ein Großteil der Bürgerarbeiter hat bereits die Arbeit angetreten. Beispielsweise als Energiesparberater, Mitarbeiter im Seniorenbüro, in der Bücherei oder als Verkäuferin im Sozialkaufhaus. "Der Bedarf stellt sich zurzeit größer heraus, die 120 geplanten Stellen reichen nicht aus", berichtet Hermann-Josef Bentler, stellvertretender Geschäftsführer des Jobcenters Paderborn.
 
Als Arbeitgeber kommen Gemeinden, Städte und Kreise in Betracht. Die Beschäftigungsfelder werden nach festen Vorgaben ausgewählt ohne reguläre Arbeitsplätze dadurch zu verdrängen. Vor allem diejenigen, die bisher auf dem Arbeitsmarkt chancenlos waren, profitieren von dem Konzept der Bürgerarbeit. "Arbeitslosigkeit ist kein naturgegebenes Schicksal. Wir bieten den Menschen Bürgerarbeit, die keine Chance auf einen Arbeitsplatz haben. Damit finanzieren wir Arbeit statt Arbeitslosigkeit," erläutert der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalts Reiner Haseloff.
 

Bürgerarbeiter erstaunlich zufrieden

 
Im Jahr 2006 wurde das Aktivierungsmodell erstmalig in Bad Schmiedeberg erprobt, einer Gemeinde in Sachsen-Anhalt mit 9000 Einwohnern. Hier handelte es sich bei rund 40 Prozent der Erwerbslosen um Langzeitarbeitslose. Nach Start des Pilotprojektes ging die Arbeitslosenquote binnen eines Jahres von 15,6 auf 6 Prozent zurück. Viele Bürgerarbeiter haben aus ihrer Tätigkeit neues Selbstvertrauen gewonnen. Jeder Zehnte der Teilnehmer konnte im allgemeinen Arbeitsmarkt Fuß fassen. Haseloff unterstreicht: "Bürgerarbeit ist keine Endstation, sondern ein Weg aus Resignation und sozialer Abgrenzung. Denn Motivation und Selbstwertgefühl der Bürgerarbeiter sind erheblich gestiegen."
 
"Die Zufriedenheit der Bürgerarbeiter mit ihrer Arbeit ist erstaunlich hoch: Sie liegt auf einer Skala von 0 (niedrigste Zufriedenheit) bis 10 (höchste Zufriedenheit) bei sensationellen 8,8 Punkten," berichtet Sabine Böttcher vom Zentrum für Sozialforschung Halle. Sie hat an einer begleitende Studie der Universität Halle aus dem Jahre 2008 mitgewirkt.
 
Nach dem Erfolg in Bad Schmiedeberg beteiligten sich weitere Gemeinden in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Bayern an dem Projekt. An allen Modellstandorten ist es gelungen, die Arbeitslosigkeit nachhaltig um mindestens 50 Prozent zu reduzieren, ohne den Arbeitsmarkt zu beeinträchtigen. 
 

Ziel: Integration in den Arbeitsmarkt

 
Vorrangiges Ziel bleibt auch in der auf drei Jahre angelegten Beschäftigungsphase, die Chancen Langzeitarbeitsloser am Arbeitsmarkt zu verbessern. Auch Sabine Albrecht hofft auf eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt.
 
Ihre Tätigkeit im Klostermuseum ist auf ein Jahr befristet. Die Bürgerarbeiterin verbringt 30 Stunden die Woche in Dalheim. Sie verdient  900 Euro im Monat. Im Klostermuseum sind neben Sabine Albrecht neun weitere Bürgerarbeiter beschäftigt.
 
Albrecht gefällt die Arbeit sehr gut: "Es ist abwechslungsreich, ich bin an der frischen Luft, und die Leute sind nett. Die Arbeit, die ich hier ausübe, ist genau das, was ich immer wollte!" Ihr Ziel ist weiterhin, auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Arbeit zu bekommen.
 

Fördern und Fordern

 
Während der Beschäftigungsphase begleitet jeweils ein Berater einen Bürgerarbeiter. Dabei sind regelmäßige Treffen und Besuche am Arbeitsplatz vorgesehen. "Jedem Bürgerarbeiter steht ständig ein persönlicher Coach zur Seite, der motiviert, berät und unterstützt, damit der Sprung in einen regulären Job gelingt," erläutert Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen. Und: Welche Bürgerarbeitsstelle ein Arbeitssuchender bekomme, hänge immer auch von seinen jeweiligen Kenntnissen und Fähigkeiten ab.
 
Erfahrungen aus den Pilotprojekten zeigen, dass genügend gemeinnützige Arbeiten vorhanden sind. Außerdem können die nachweislich aus Arbeitslosigkeit folgenden Gesundheits- und sozialen Folgekosten gemindert werden. Der ehemalige Arbeitsminister von Sachsen-Anhalt, Reiner Haseloff betont: "Bei der Bürgerarbeit profitieren alle Beteiligten, weil der Grundsatz des ‚Förderns und Forderns’ gut ausbalanciert ist."
 

Über Bürgerarbeit aktiviert und beschäftigt

 
Insgesamt ist die Einrichtung von 34.000 Bürgerarbeitsstellen geplant, von denen bisher 4.300 bewilligt wurden. Für über 10 Prozent der Stellen gibt es bereits Teilnehmer. 
 
Bestehendes Ziel ist, möglichst viele Teilnehmer schnell in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Hilfebedürftige sollen von ihrem Coach aber so lange betreut und beraten werden, bis sie das geschafft haben.
 
Der Bund bezuschusst das Programm jährlich mit 230 Millionen Euro, der Europäische Sozialfonds jährlich mit 200 Millionen Euro. Insgesamt kostet das Projekt rund 1,3 Milliarden Euro. Stellen für Bürgerarbeiter können Städte und Kommunen bis zum 1. Januar 2012 einrichten. Entsprechende Förderanträge können sie dafür bis Ende Oktober dieses Jahres beim Bundesverwaltungsamt stellen.

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