Der Regelsatz für alleinstehende und alleinerziehende Grundsicherungs- oder Sozialhilfe-Empfänger soll um fünf Euro auf 364 Euro steigen. Kinder und Jugendliche erhalten zusätzlich zum Sozialgeld Unterstützung durch ein Bildungspaket. Das hat das Bundeskabinett heute beschlossen.
Mit der transparenten Neuberechnung kommt die Bundesregierung den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes nach. Die Regelsätze müssten nachvollziehbar sein und Kinder mehr Chancen auf gute Bildung und bessere Teilhabe im täglichen sozialen Miteinander erhalten, hatte das oberste deutsche Gericht im Februar 2010 entschieden. Die Bundesregierung ist diesem Auftrag nachgekommen und hat die Regelsätze für Leistungsberechtigte von Grundsicherung oder Sozialhilfe zum Januar 2011 neu berechnen lassen.
Bei der Berechnung des Existenzminimums hatte das Gericht dem Gesetzgeber ausdrücklich aufgegeben, auch eine Wertentscheidung vorzunehmen. Die Bundesregierung hat deshalb entschieden, im Regelsatz zum Beispiel keinen Abschlag für Alkohol und Tabak mehr vorzusehen. Andererseits werden in Zukunft die Praxisgebühr und die Kosten der Internetnutzung berücksichtigt. Wichtig ist der Bundesregierung, dass der Anreiz, wieder Arbeit aufzunehmen, erhalten bleibt.
Bundesarbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen: "Ich freue mich sehr, dass es trotz des enorm hohen Zeitdrucks nicht nur gelungen ist, die neu berechneten Regelsätze verfassungsfest zu errechnen. Nach einer vorgezogenen breiten Vorabstimmung mit Praktikern aus Ländern und Kommunen haben wir nun auch ein praxisnahes Konzept für das Bildungspaket, mit dem warmen Mittagessen, der Lernförderung, den Schulausflügen, dem Schulmaterial und dem Anspruch auf ein Sport-, Kultur- oder Musikangebot am Nachmittag."
Die neuen Regelsätze ab 2011
Alleinstehende und alleinerziehende leistungsberechtigte Erwachsene erhalten ab kommendem Januar 364 Euro statt wie bisher 359 Euro im Monat. Die Erhöhung um fünf Euro hat die Ende September abgeschlossene Berechnung des Statistischen Bundesamtes auf Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 2008 ergeben.
Leistungsberechtigte Kinder und Jugendliche bekommen ein eigenständiges Sozialgeld, gestaffelt nach Altersgruppen. Diese Sätze bleiben unverändert. Jugendliche zwischen 14 bis unter 18 Jahren erhalten 287 Euro, Kinder zwischen sechs und 13 Jahren 251 Euro und Kinder unter sechs Jahre 215 Euro im Monat.
Nach den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes hätten für Kinder und Jugendliche die neuen Sätze zwischen zwei und zwölf Euro unter den bisherigen Regelsätzen gelegen. Die Bundesregierung gewährt den betroffenen Familien Vertrauensschutz und senkt die Sätze nicht. Zukünftige Erhöhungen der Sozialgelder werden aber mit den bereits gewährten verrechnet.
Erhöhungen besser als bei Rente
Zukünftig sollen die Regelsätze jeweils zum 1. Januar überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Da die EVS aber nur alle fünf Jahre erhoben wird, soll in den Jahren dazwischen die Anpassung mit Hilfe eines kleineren Datensatzes erfolgen. Bis dieser Datensatz in etwa drei Jahren vorliegt, werden die Regelsätze anhand der Preissteigerung und der Lohnentwicklung angepasst.
Damit hat die Bundesregierung der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes entsprochen. Die Regelsätze sollten demnach nicht mehr analog zur Rente steigen. Denn die Rentenanpassung ist an die demografische Entwicklung gekoppelt. Der demografische Abschlag wirkt außerdem schmälernd auf eine Anpassung. Mit der Loskopplung von der Rentenanpassung werden die Anpassungen der Regelsätze in Zukunft zwingend höher sein als die der Rente.
Chancen für Kinder durch Bildungspaket
Neu ist das Bildungspaket, das die Bundesregierung geschnürt hat: Leistungsberechtigte Eltern erhalten neue Möglichkeiten, die Zukunftschancen ihrer Kinder zu verbessern. Die Kinder und Jugendlichen werden dadurch auch in ihrem Bildungs- und Lebensweg unterstützt. Sie können Vereins-, Kultur- und Ferienangebote vor Ort kostenlos nutzen oder erhalten bei Bedarf eine Lernförderung. Außerdem bekommen die Kinder einen Zuschuss zum warmen Mittagessen in Schulen und Kitas. Leistungsberechtigte Schüler werden weiterhin durch ein Schulbasispaket gefördert – mit einem Betrag für Schulmaterial und eintägige Klassenfahrten.
Die Bundesregierung will unkompliziert und unbürokratisch dafür sorgen, dass die Leistung auch tatsächlich zum Kind kommt. Deswegen soll das Bildungspaket grundsätzlich als Sachleistung ausgezahlt werden.
Anstelle der Jobcenter können sich auch Kommunen darum bemühen, das Bildungspaket umzusetzen. Das kann in geeigneten Fällen praktischer sein. Außerdem kann die Abrechnung von erbrachter Sachleistung über Gutscheine oder Direktüberweisung erfolgen. Je nachdem, was vor Ort praktischer ist. Denn die Kommunen bieten teilweise unterschiedliche Sachleistungen an und es gibt mitunter bereits eingespielte Abrechnungsformen. Dies soll berücksichtigt werden. Mittelfristig strebt die Bundesregierung ein elektronisches Verfahren an.
Von der Leyen: "Dass wir nicht mehr länger nur Geld auszahlen, sondern uns kümmern, dass die Leistungen direkt zum Kind kommen, bedeutet einen Riesenfortschritt für die mittelfristigen Bildungs- und damit die Aufstiegschancen bedürftiger Kinder."
Abkehr vom "Gießkannenprinzip"
Das ist eine Abkehr vom so genannten "Gießkannenprinzip". Statt für Bildung und Teilhabe ein paar Euro auf das Sozialgeld draufzulegen, hilft der Staat gezielt dort, wo Hilfe benötigt wird.
Der Bund ist allerdings nur für leistungsberechtigte Kinder nach Sozialgesetzbuch Zwei (SGB II) zuständig. Für die Kinder aus sonstigen einkommensschwachen Familien greift die Länderhoheit für Bildung. Das System, das der Bund jetzt speziell für leistungsberechtigte Kinder nach dem SGB II schafft, ist jedoch erweiterungsfähig für Kinder aus Familien mit kleinen Einkommen. So sollen von den Leistungen des Bildungspakets künftig auch die Kinder profitieren, die den Kinderzuschlag erhalten.
Von der Leyen: "Das ist eine kluge Lösung, die harte Abbruchkanten vermeidet, denn auch die Familien an der Grenze zu Hartz IV brauchen jede Unterstützung bei der Bildung ihrer Kinder."
Transparent und rechtssicher
Zusätzlich zum Regelbedarf erhält jeder Leistungsberechtigte die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung erstattet. Was angemessen ist, legen bislang im Zweifel die zuständigen Stellen vor Ort fest. Jede Kommune entscheidet damit selbst, wie hoch die Quadratmeteranzahl pro Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft sein darf und was dafür bezahlt wird.
Gerade diese Berechnungen der angemessenen Wohnungsgröße führten in den vergangenen Jahren jedoch immer wieder zu einer sehr hohen Anzahl von Widersprüchen und Klagen. Die Angemessenheit soll deswegen künftig nach einheitlichen Kriterien bestimmt werden - transparent und rechtssicher. Darüber hinaus sollen auch pauschalierte Abgeltungen möglich sein.
In Kraft treten sollen die Änderungen zum 1. Januar 2011.
Höhere Hinzuverdienste möglich
Die Hinzuverdienstmöglichkeiten für Arbeitslosengeld-II-Empfänger werden erweitert. Ziel ist es, Arbeit attraktiver zu machen als die Transferleistung vom Staat. Um dieses zu erreichen, werden insbesondere höhere Hinzuverdienste honoriert.
Je höher also das Erwerbseinkommen eines Leistungsberechtigten, desto mehr soll er behalten dürfen. Das Bundeskabinett hat entschieden: Wer als Leistungsempfänger ein Erwerbseinkommen zwischen 800 und 1.000 Euro hat, kann davon künftig statt bislang zehn Prozent dann 20 Prozent behalten. Die Anrechnung von Erwerbseinkommen unter 800 Euro bleibt unverändert.
Die Neuregelung der Hinzuverdienste soll zum 1. Juli in Kraft treten.
Das gesamte Änderungspaket wird nun im Bundestag beraten. Das Änderungspaket bedarf zudem der Zustimmung des Bundesrates.