Die Universität Tübingen hat vorgesorgt: Sie bereitet sich schon seit drei Jahren auf den Ansturm geburtenstarker und doppelter Abiturjahrgänge vor. In erster Linie schafft sie Studienplätze in Fächern mit hoher Nachfrage und in zukunftsweisenden Bereichen wie den Naturwissenschaften.
In den neuen Bundesländern wird der Nachwuchs durch den Geburtenknick jedoch knapp. Deshalb muss Greifswald keine neuen Studienplätze schaffen, freut sich aber auf Studierende aus dem Westen. Rainer Westermann, Rektor der Universität, geht davon aus, dass er durch die doppelten Abiturjahrgänge und die mögliche Aussetzung der Wehrpflicht die Studierendenzahl an seiner Hochschule halten kann.
Die geburtenstarken doppelten Abiturjahrgänge stellen die meisten Universitäten in den nächsten Jahren vor große Probleme. In Bayern und Niedersachsen machen 2011 fast doppelt so viele Schülerinnen und Schüler ihren Abschluss wie in den vergangenen Jahren. 2012 werden Berlin, Brandenburg, Baden-Württemberg und Bremen folgen. Schleswig-Holstein bildet dann 2016 das Schlusslicht.
Hochschulpakt schafft Studienplätze und mehr
Die Universitäten haben sich auf eine Zunahme der Studienanfängerzahl eingerichtet. Auch die Bundesregierung hat frühzeitig auf den zu erwartenden Ansturm auf die Hochschulen reagiert und bereits mit dem Hochschulpakt I (2007 – 2010) rund 100.000 zusätzliche Studienplätze zur Verfügung gestellt.
Mit dem Hochschulpakt II (2011 -2015) haben Bund und Länder vereinbart, bis 2015 weitere 275.000 Studienplätze an den Universitäten zu schaffen. Dafür stellt allein der Bund über fünf Milliarden Euro bereit.
Der Bund finanziert außerdem die Programmpauschalen für von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Forschungsvorhaben.
Mit dem Qualitätspakt für Lehre erhalten die Hochschulen weitere Mittel, um Studienbedingungen und Lehrqualität zu verbessern. Gefördert werden damit eine bessere Personalausstattung auf allen Ebenen - vom Professor über den Mittelbau bis zum Tutor. Ein Teil der Fördermittel ist für die Qualifizierung des Hochschulpersonals, die Betreuung und Beratung vorgesehen. Hierfür stellt der Bund von 2011 bis 2020 insgesamt rund zwei Milliarden Euro bereit.
Hochschule statt Wehrpflicht
Die für Juli 2011 geplante Aussetzung der Wehrpflicht und damit auch des Zivildienstes fordert die Universitäten zusätzlich heraus: Wie viele Studenten ihr Studium wann beginnen werden, können sie schwer voraussagen und noch schwerer planen.
Die Kultusministerkonferenz geht von 50.000, der stellvertretende Vorsitzende der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz, der Berliner Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner von 60.000 zusätzlichen Erstsemestern aus: "Wir müssen deshalb zusätzliche Kapazitäten schaffen", so Zöllner.
Ein Studienplatz kostet derzeit durchschnittlich 26.000 Euro. Fällt die Wehrpflicht weg, rechnen die Kultusminister mit zusätzlichen Kosten von rund 1,5 Milliarden Euro. Beim Hochschulpakt übernehmen Bund und Länder je fünfzig Prozent. Zöllner erklärte, er erwarte, dass der Bund in diesem Fall "nach dem Verursacherprinzip" die Kosten vollständig übernehme.
Schavan fordert Gesamtkonzept
Bundesbildungsministerin Annette Schavan dringt darauf, nach dem Juli 2011 noch drei bis sechs Monate lang junge Männer einzuziehen. "Wenn Wehrdienst und Zivildienst ausgesetzt werden, brauchen wir ein Gesamtkonzept, bei dem es auch um zusätzliche Studienplätze geht", erklärte sie. Bund und Länder hätten sich zwar darauf geeinigt, zusätzlich 275.000 Studienplätze zu finanzieren. Doch das werde nicht ausreichen, wenn plötzlich so viele junge Männer eher an die Universitäten wollen. "Wir dürfen die jungen Leute nicht in die Warteschleife schicken," sagte Schavan.