Volkskrankheiten im Blick

 
Der Patient, 50 Jahre alt, nur wenig übergewichtig und ohne bekannte Vorerkrankungen, kam mit hohem Fieber ins Krankenhaus. Eher nebenbei stellten die Ärzte eine Schwellung am Fuß fest, die allerdings keine Beschwerden verursachte. Erst in der Klinik ergab die Untersuchung massiv erhöhte Blutzuckerwerte, eine Fettleber, stark erhöhte Blutfettwerte und eine schwerwiegende Knochenentzündung.
 
Der bei dem Patienten bis dahin unerkannte Diabetes – landläufig Zuckerkrankheit genannt – schränkte die Nervenfunktion so ein, dass der Patient keine Schmerzen im Fuß verspürte. 50 Tage lang dauerte die stationäre Behandlung der Entzündung am Fuß und die medikamentöse Einstellung des Diabetes. Für die Rückkehr in ein wieder halbwegs normales Leben unerlässlich war die Umstellung der Lebensweise, vor allem bei der Ernährung. Auch mehr Bewegung war nach der Abheilung der Wunde eine wichtige Voraussetzung.
 

 

 

 

Diabetes mellitus bei etwa 6 Millionen Menschen bekannt

 
Laut dem Survey "Gesundheit in Deutschland aktuell 2009" des Robert Koch-Instituts leiden derzeit 7,3 Prozent der Erwachsenen in Deutschland an einem diagnostizierten Diabetes mellitus und lassen sich behandeln. Zudem schätzen Experten die Anzahl an Menschen, die zwar erkrankt sind, es aber nicht wissen, als sehr hoch ein. In etwa 80 bis 90 Prozent aller Diabeteserkrankungen handelt es sich um den sogenannten Typ 2 Diabetes, bei dem ursächlich neben einer genetischen Veranlagung vor allem Bewegungsmangel, Fehlernährung und damit in Zusammenhang stehendes Übergewicht eine Rolle spielen.
 



 
Professor Michael Roden, wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Diabetes Zentrums in Düsseldorf, erläutert: "Ein Drittel aller Herzinfarkte steht in direktem Zusammenhang mit Diabetes. Gut jeder zweite tödliche Schlaganfall hängt mit Diabetes zusammen und fast drei Viertel aller Fußamputationen im Erwachsenenalter sind durch Diabetes bedingt."
 

Diagnostik und Wissen

 
Was wissen wir über Diabetes? Professor Hans-Ulrich Häring, Ärztlicher Direktor der Medizinischen Klinik IV der Universität Tübingen erklärt: "Wir haben zwei Diabetes-Formen: Das eine ist der jugendliche Diabetes, auch Typ-1-Diabetes genannt. Das sind in Deutschland circa 500.000 Betroffene. Da kommt es früh im Leben zu einem Mangel an Insulin, da die Insulin produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse ihre Tätigkeit einstellen. Die sechs Millionen Typ-2-Diabetiker haben einen anderen Weg in die Erkrankung. Da ist die Produktion an Insulin normal, aber es kommt mit zunehmenden Alter durch die Faktoren Bewegungsmangel und Übergewicht mit entsprechender genetischer Veranlagung kombiniert, dazu, dass mehr Insulin notwendig ist, um die gleiche Wirkung im Körper zu erzielen."
 

Volkskrankheiten im Zentrum

 
Es liegt auf der Hand, dass Diabetes eine Volkskrankheit ist, ähnlich wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Infektionskrankheiten, Krebs, Lungenerkrankungen und Demenz. Diese Volkskrankheiten stehen im Mittelpunkt des Gesundheitsforschungsprogramms der Bundesregierung. Für jede dieser Krankheiten wird ein Zentrum für die Erforschung von Ursachen und Heilung gegründet.
 

Spitzenforschung bündeln

 
In dem Deutschen Zentrum für Diabetesforschung arbeiten renommierte Grundlagenforscher und Kliniker eng zusammen, um Ergebnisse aus der Grundlagenforschung schneller dem Patienten zugute kommen zu lassen. Warum so ein Zusammenschluss sinnvoll ist, erläutert Professor Hrabé de Angelis, Direktor des Instituts für Experimentelle Genetik und Sprecher für die Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München: "Wir haben wichtige Netzwerkprojekte auf die Reise geschickt, die eine Gruppe allein so nicht stemmen könnte. Ziel ist die Entwicklung individualisierter Präventionsstrategien bis hin zu kausalen Therapien. Hierzu ist es einerseits wichtig, in der Grundlagenforschung die Mechanismen der Diabetesentstehung aufzuklären. Weiterhin suchen Grundlagenforscher und Kliniker mit vereinten Kräften nach Wegen die körpereigene Insulinproduktion im Patienten zu erhalten."
 
Über das Netzwerk lassen sich Informationen schneller austauschen und Grenzen überwinden. Hrabé de Angelis erklärt: "Neben Workshops, die wir regelmäßig durchführen, tauschen wir auch Wissenschaftler aus."
 
Die drei Experten bilden den Vorstand des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD). Zu ihm gehören außer ihren Instituten auch das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke und das Paul Langerhans Institut am Dresdener Universitätsklinikum.
 

Diabetes gezielt vermeiden und individualisiert behandeln

 
Die fünf Einrichtungen führen unter anderem gemeinsam zwei sehr groß angelegte Studien durch, um zukünftig den Typ-2-Diabetes und seine Folgen früher diagnostizieren und gezielter behandeln zu können. Tatsächlich spielen vor allem die Faktoren genetische Anlage, Ernährung und Bewegung für die Entstehung des Typ-2-Diabetes und seine Folgen eine Rolle.
 
Professor Roden erklärt: "Generelle Ernährungs- und Sportempfehlungen sind hilfreich, haben sich aber außer in gezielten Studien, nicht wirklich bewährt. Es scheint so zu sein, dass bestimmte Subtypen des Typ-2-Diabetes mehr auf Sport oder besondere Art von Sport ansprechen. Andere, die auf besondere Diätintervention ansprechen".
 
Um das herauszufiltern und Patienten gezielt betreuen zu können, wird die Deutsche Diabetes Studie durchgeführt. In der Deutschen Diabetes Präventionsstudie wird untersucht, welche Personen von welchen Präventionsmaßnahmen profitieren. Ziel beider Studien ist, deutschlandweit eine erfolgreiche, individualisierte Prävention von Diabetes und seinen Folgen zu etablieren. 

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