Kampf den Keimen

 

 
 

Die Bundesregierung will das Infektionsschutzgesetz ändern. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat das Bundeskabinett am 16. März beschlossen. Wenn Bundestag und Bundesrat zustimmen, treten die Änderungen voraussichtlich Mitte Juli 2011 in Kraft.

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Viele Infektionen sind vermeidbar


Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler begrüßte den Gesetzentwurf als "Meilenstein auf dem Weg zu besseren Hygienestandards in Deutschland".

In Deutschland erkranken jährlich 400.000 bis 600.000 Menschen an so genannten nosokomialen Infektionen. Das sind Infektionen, die im Zusammenhang mit einer stationären oder ambulanten Behandlung erworben werden. Umgangssprachlich werden sie auch Krankenhausinfektionen genannt. 7.500 bis 15.000 Menschen sterben jährlich daran.

Die Infektionsgefahr hängt stark davon ab, ob im Klinik- und Praxisalltag die gängigen Hygieneregeln eingehalten werden. Zwanzig bis dreißig Prozent der Infektionen, so schätzen Expertinnen und Experten, wären bei sorgfältiger Hygiene vermeidbar.


Problem: Resistente Krankheitserreger


Viele der Infektionen werden durch resistente oder multiresistente Erreger verursacht. Multiresistente Krankheitserreger sind gegen viele oder sogar alle Antibiotika widerstandsfähig. Das bedeutet: Die Erreger sind nur schwer, manchmal auch gar nicht behandelbar.

Die Infektionsraten mit resistenten Erregern sind in Deutschland, verglichen mit anderen Ländern eindeutig zu hoch. Ein Grund: Antibiotika werden oft zu leichtfertig verordnet und dann nicht immer bis zum Ende eingenommen. Einige Bakterien bleiben dann im Körper und bilden Resistenzen. Im Falle einer neuen Erkrankung hilft dieses Antibiotikum dann möglicherweise nicht mehr.


Hohe Therapiekosten


Erschwerend kommt hinzu: Die Patientinnen und Patienten haben meist ein geschwächtes Immunsystem und können Erreger nicht gut abwehren.
Jede Infektion verlängert die Behandlungsdauer, erhöht die Behandlungskosten und kann lebensgefährlich sein. Resistente Erreger stellen die Medizin vor immer größere therapeutische Herausforderungen: Es gibt immer weniger Therapieoptionen.


Einheitliche Hygienestandards


Mit der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes will die Bundesregierung erreichen, dass Antibiotika sachgerechter eingesetzt werden. Zudem werden bestehende Empfehlungen und Vorschriften zur Hygiene verbindlicher. Die Hygienevorschriften in Deutschland werden vereinheitlicht.

Die Gesundheitsbehörden der Länder erhalten mehr Möglichkeiten, um gegen Einrichtungen, die Vorschriften nicht einhalten, mit Bußgeldern vorzugehen. Die Regelungsgegenstände werden vom Bund vorgegeben. Rösler: "Patientinnen und Patienten können sich künftig auf bundesweit einheitliche Kriterien verlassen."


Gegen resistente Keime vorgehen


Neu eingerichtet wird die Kommission "Antiinfektiva, Resistenz und Therapie" am Robert Koch-Institut. Sie erstellt künftig Empfehlungen, insbesondere bei Infektionen mit resistenten Krankheitserregern. Antiinfektiva sind Arzneimittel, die gegen Infektionskrankheiten wirken.


Bessere Krankenhaushygiene


Die Qualifikation des Personals in Fragen der Infektionshygiene wird verbessert, Beratungsmöglichkeiten werden ausgebaut. Bundesweit wird in den Krankenhäusern Personal eingesetzt, das in Fragen der Hygiene besonders geschult ist.

Patientinnen und Patienten können sich künftig in den Qualitätsberichten der Krankenhäuser über die Hygienequalität informieren. Der Gemeinsame Bundesausschuss erhält den Auftrag, Anforderungen an die Hygiene festzulegen und Kriterien zu entwickeln, um die Hygienequalität in Krankenhäusern zu verbessern. Die Ergebnisse zur Hygienequalität werden dann in den Qualitätsberichten der Krankenhäuser veröffentlicht. Rösler: "In den Qualitätsberichten werden die jeweiligen Hygieneergebnisse aufgeführt. Damit stärken wir die Informationsrechte der Bürger." Ab 2013 erscheinen die Qualitätsberichte zudem jährlich.

 
Um die Infektionsraten und die Verbreitung resistenter Erreger einzudämmen, hat die Bundesregierung schon in den vergangenen Jahren einige Maßnahmen ergriffen und Angebote entwickelt:

• 2001 löste das Infektionsschutzgesetz das alte Bundes-Seuchengesetz ab. Darin wurden Schutz und Kontrolle von Krankenhausinfektionen und resistenten Erregern genauer geregelt. Aufzeichnungspflichten wurden konkretisiert, es mussten Hygienepläne erstellt werden. Die Länder haben darauf aufbauend Vorschriften in ihren Krankenhaus-Gesetzen erlassen.

• Die "Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention" wurde am Robert Koch-Institut gegründet. Sie entwickelt Leitlinien, mit denen Krankenhausinfektionen erkannt, verhütet und bekämpft werden sollen. Die Leitlinien richten sich an Kliniken und Praxen. Die Ratschläge reichen von der Montage der Händedesinfektionsmittelspender bis zur Hygieneausbildung.

• 1997 wurde das freiwillige Krankenhaus-Infektions-Surveillance-System (KISS) eingerichtet. Es erfasst alle Krankenhausinfektionen in den teilnehmenden rund 900 Krankenhäusern. Mit der Antibiotika-Resistenz-Surveillance (ARS), die am Robert Koch-Institut angesiedelt ist, wurde 2007 ein ähnliches System entwickelt speziell zur Erfassung resistenter Erreger. 10 mikrobiologische Laboratorien nehmen an der ARS teil. Sie liefern Resistenzdaten für rund 200 Krankenhäuser und etwa 3.000 niedergelassene Arztpraxen an die zentrale Datenbank des Robert Koch-Instituts. Weitere Labore bereiten ihre Teilnahme vor.

• Die "Aktion Saubere Hände" sensibilisiert seit 2008 das medizinische Personal in Krankenhäusern für regelmäßiges Händedesinfizieren. 750 Krankenhäuer und Universitätskliniken nehmen an der Aktion teil. Zu Beginn dieses Jahres wurde die Aktion auf den ambulanten Bereich und Senioren- und Pflegeeinrichtungen ausgeweitet. Schirmherr ist Bundesgesundheitsminister Rösler.

• Noch bis 2013 erarbeitet die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie (DART) ein umfassendes Maßnahmenpaket gegen die Verbreitung von resistenten Erregern.


Infektionen im Keim ersticken


Diese Maßnahmen zeigen: Es gibt genügend Vorschriften und Empfehlungen zum Infektionsschutz. Problem ist, dass sie nicht gut genug umgesetzt wurden.

Daher bekommt die Vorsorge im neuen Infektionsschutzgesetz einen höheren Stellenwert: Patientinnen und Patienten mit Erregern sollen nach Möglichkeit schon vor einem Krankenhausaufenthalt therapiert werden.
 
Die Fachleute sprechen von "Sanierungsmaßnahmen". Das heißt: Vorhandene Keime und Erreger werden zunächst ambulant bekämpft und ausgerottet. Die Behandlung im Krankenhaus erfolgt erst, wenn der Patient "saniert" ist. Diese Zusatzleistung können die Vertragsärzte künftig gegenüber den Kassen abrechnen. Bislang gab es hierfür keine Gebührenposition.

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