Eine 28-Jährige Kauffrau ist seit einem Jahr bei einem Zeitarbeitsunternehmen beschäftigt. Sie arbeitet nach ihrer Ausbildung zunächst in ihrem Beruf. Dann beschließt sie, berufsbegleitend Medienwirtschaft zu studieren. Um das zu finanzieren, nimmt sie eine Stelle als Zeitarbeitende an.
Eine schlechtere Behandlung als die Stammbelegschaft, kann sie nicht bestätigen: "Hier ist das Klima gut und alle arbeiten im Team, egal ob man von einer Zeitarbeitsfirma kommt oder festangestellt ist."
Sie bezieht ihr Gehalt nach dem Tarifvertrag für die Zeitarbeit. Das ist weniger als die im Entleihunternehmen festangestellten Beschäftigten. Dafür bietet ihr die Arbeit in der Arbeitnehmerüberlassung wichtige Vorteile: "Bei meinem Zeitarbeitsunternehmen funktionierte es bisher immer sehr gut, mein Studium mit meiner Arbeit zu vereinbaren. Während ich an meiner Diplomarbeit schreibe, kann ich meine Arbeitsstunden reduzieren."
Zeitarbeit - Was ist das?
Arbeitnehmerüberlassung wird oft als Zeit- oder Leiharbeit bezeichnet. Zeitarbeitende in dieser Beschäftigungsform sind bei einem Zeitarbeitsunternehmen in der Regel fest angestellt. Für einen befristeten Zeitraum überlässt das Zeitarbeitsunternehmen den Beschäftigten einer zweiten Firma. Den Lohn zahlt jedoch das Zeitarbeitsunternehmen, auch dann wenn der oder die Beschäftigte gerade nicht an einen "Entleiher" vermittelt werden konnte. Bei der Zeitarbeit handelt es sich übrigens nicht, wie manchmal irrtümlicherweise angenommen, um "Arbeit auf Zeit". Zeitarbeitnehmende werden auf Zeit an andere Firmen "verliehen", sind jedoch in der Regel unbefristet bei ihrem Zeitarbeitsunternehmen angestellt. Mit der Zeitarbeit sollen Firmen Auftragsspitzen bewältigen oder Personalengpässe überwinden können.
Negatives Image unbegründet
Jede dritte bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) im Januar 2011 gemeldete freie Stelle kam aus der Zeitarbeit. Zwischen 2003 und 2008 entstand mehr als jede neunte neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in der Arbeitnehmerüberlassung. Auch hat sich kaum ein anderer Wirtschaftszweig so schnell von der Finanz- und Wirtschaftskrise erholt wie die Zeitarbeit.
Dennoch hat die Arbeitnehmerüberlassung mit einem negativen Image zu kämpfen: Nicht immer finden die vermittelten Zeitarbeitenden im Anschluss einen festen Arbeitsplatz.
Zeitarbeit als Übergang und Weiterbildung
Für junge Menschen kann Zeitarbeit eine Orientierungshilfe sein. Petra Reinholz, Geschäftsführerin von Adecco, einem der drei größten Zeitarbeitsfirmen in Deutschland, erklärt: "Berufseinsteiger können selbst feststellen, was ihnen gut gefällt und wo sie ihre Stärken sehen. Sie können sich beispielsweise überlegen, ob sie in einem großen Unternehmen arbeiten möchten oder ob sie besser in eine mittelständische Firma passen."
Junge und qualifizierte Erwerbstätige arbeiten nicht selten für eine gewisse Zeit als Zeitarbeitnehmende. Zu diesem Ergebnis kommt der Forschungsbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales "Was ist gute Arbeit?". Unter den Berufseinsteigern mit abgeschlossener Ausbildung haben zehn Prozent schon einmal bei einem Zeitarbeitsunternehmen gearbeitet, heißt es dort.
Dynamische Entwicklung der Zeitarbeit
In Deutschland waren nach Angaben der BA im Herbst 2010 etwa drei Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Zeitarbeit tätig. Verglichen mit allen Beschäftigungsverhältnissen ist das wenig. Dennoch nahm die Zeitarbeit in den vergangenen Jahren enorm zu: Im Juni 2010 waren bundesweit 806.100 Zeitarbeitende unter Vertrag – 138 Prozent mehr als vor zehn Jahren.
Zeitarbeit reagiert besonders frühzeitig auf konjunkturelle Entwicklungen: Petra Reinholz erklärt die schnelle Erholung in der Zeitarbeit: "Alle waren überrascht, wie schnell sich die Wirtschaft nach der Krise erholt hat. Deswegen sind die Unternehmen bei Festeinstellungen noch vorsichtig und greifen auf die Zeitarbeit zurück. Daher auch die große Nachfrage."
Den Anschluss wiederfinden
Laut BA haben Arbeitsuchende zwei Drittel der im ersten Halbjahr 2010 neuen Zeitarbeitsverhältnisse abgeschlossen. Das zeigt, dass Zeitarbeit für Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit Bedrohte eine Perspektive ist. Zeitarbeit ist für viele auch eine Möglichkeit, in geregelte Beschäftigung zu kommen. Laut Reinholz ist die Zeitarbeit oftmals ein Übergang zu einer festen Anstellung: "In der Regel sind die Zeitarbeitenden nicht viel länger als ein Jahr bei uns beschäftigt." Danach übernimmt sie die Firma oder sie finden etwas anderes.
Dieser "Klebeeffekt", also die dauerhafte Übernahme durch die entleihende Firma, ist das, was sich viele Zeitarbeitenden erhoffen. Dieser Effekt schwankt allerdings von Branche zu Branche und hängt auch von den Tätigkeitsprofilen ab. Im Durchschnitt errechnen Wissenschaftler einen Klebeeffekt von etwa zehn Prozent.
Christiane Koplin, Teamleiterin in der BA Berlin Süd erklärt, warum Zeitarbeit immer eine Chance ist: "Durch die Arbeit in einem Unternehmen kann man an Selbstbewusstsein gewinnen, Erfahrungen sammeln und dazulernen. Auch wenn das Arbeitsverhältnis befristet ist." Außerdem sei es immer leichter, sich aus einer bestehenden Beschäftigung heraus auf eine neue Stelle zu bewerben, als aus der Arbeitslosigkeit, so Koplin weiter.
Mindestlöhne in der Zeitarbeit
Gegen Lohndrückerei haben die Tarifparteien in der Zeitarbeit ab 1. Mai 2011 für ihre Beschäftigten Mindestlöhne vereinbart: 7,79 Euro in Westdeutschland und 6,89 Euro in Ostdeutschland. Es gibt aber ein paar Haustarifverträge, die hiervon abweichen. Auch ausländische Tarifverträge, die seit Anfang Mai aufgrund der Arbeitnehmerfreizügigkeit in Deutschland zur Anwendung kommen können, dürften abweichen.
Deswegen hat die Bundesregierung das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz entsprechend geändert: Es ermächtigt das Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, die von den Tarifparteien vorgeschlagenen Mindeststundenentgelte allgemeinverbindlich zu erklären. Sowohl für die Einsatzzeit als auch für die verleihfreie Zeit. Damit will die Bundesregierung erreichen, dass auch für in Deutschland zeitarbeitende EU-Bürger die vereinbarten Mindestlöhne gelten. Allerdings wird der allgemeinverbindliche Mindestlohn für die Zeitarbeit in Deutschland voraussichtlich erst im Sommer kommen. Denn das vorgeschriebene Verfahren sieht vor, dass die vorschlagenden Tarifvertragsparteien repräsentativ für die Zeitarbeit sein müssen. Auch müssen alle Vereinigungen von Arbeitgebern in der Zeitarbeit und betroffene Gewerkschaften die Möglichkeit erhalten, dazu Stellung zu nehmen. Das steht zurzeit noch aus.