Das Geschenk des Lebens bewusst genießen

 


"Ich sehe das Leben heute mit anderen Augen. Es ist ein anderes Leben. Aber ich kann wieder reisen, aktiv sein und ohne zusätzlichen Sauerstoff leben", sagt Volker H., 57 Jahre alt. Vor fast sechs Jahren bekam er eine neue Lunge. Das war am 21. Oktober 2005 im Transplantationszentrum der Medizinischen Hochschule Hannover, eine Einrichtung die weltweit führend auf dem Gebiet der Lungentransplantation ist. "Ein Geschenk des Lebens das ich heute bewusst genießen kann", sagt er. An seiner Stimme kann man immer noch die Freude und Erleichterung heraus hören.
 

Diagnose: Beginnende Lungenfibrose

 
1999 im Sommer beim Wanderurlaub mit Freunden in der Schweiz spürte Volker zum ersten Mal, dass etwas nicht wie sonst war. Beim Bergsteigen bekam er Probleme beim Atmen, eine Luftknappheit, die er bisher nicht an sich kannte. Damals war er 45 Jahre alt. Untersuchungen beim Hausarzt ergaben eine beginnende Lungenfibrose.
 
Lungenfibrose ist eine Erkrankung des Lungengewebes bei der die Lunge versteift und ihre Dehnbarkeit sinkt. Damit ein Gasaustausch zwischen den Lungenbläschen stattfinden kann und die Lungenflügel ausreichend belüftet werden, wird immer mehr Kraft benötigt. Die Krankheit führt in den meisten Fällen irgendwann zum Tod.
 
Dass seine Erkrankung irreversibel ist, wollte Volker anfangs nicht akzeptieren. Aber die gesundheitlichen Probleme wurden stärker. Schon drei Jahre später war jede Anstrengung ein Problem, Treppensteigen nur noch mit langen Pausen möglich. Damals haben – seiner Erinnerung nach - die Ärzte ernsthafter das Thema Organtransplantation angesprochen. Stellt man ihm die Frage, ob er sich vor seiner Erkrankung mit dem Thema Organspende beschäftigt habe, antwortet Volker wie viele: "Grundsätzlich stand ich Organspende schon positiv gegenüber, aber einen Organspendeausweis hatte ich nicht. Wahrscheinlich wäre ich durch meine Allergie gar nicht in Frage gekommen. Aber das war nur eine Vermutung von mir."
 

Höchste Dringlichkeitsstufe auf der Warteliste

 
Im Herbst 2004 bekam er ein mobiles Sauerstoffgerät. Das war notwendig, schränkte aber seinen Bewegungsradius erheblich ein. Sein bisheriges Leben konnte er nicht mehr weiterführen: Nicht mehr arbeiten, reisen, einfach aktiv sein. Das Transplantationszentrum Hannover setzte ihn auf die Warteliste von Eurotransplant.
 
Eurotransplant ist eine Vermittlungsstelle für Organspenden in den Benelux-Ländern, Deutschland, Österreich, Slowenien und Kroatien mit Sitz in Leiden (Niederlande). An der internationalen Zusammenarbeit dieser Länder sind alle Transplantationszentren, Gewebetypisierungslaboratorien und Krankenhäuser, in denen Organspenden durchgeführt werden, beteiligt.
 
Laut Transplantationsgesetz wird anhand von Patientendaten bei Eurotransplant für jedes Spenderorgan eine eigene Rangliste erstellt. Die Organvermittlung erfolgt ausschließlich über Eurotransplant, damit eine gerechte Verteilung der verfügbaren Spenderorgane an den jeweils am besten geeigneten Empfänger gewährleistet werden kann.
 
Im August 2005 verschlechterte sich der Gesundheitszustand von Volker so rapide, dass er in das Transplantationszentrum Hannover stationär aufgenommen werden musste. Die Dringlichkeit bei Eurotransplant wurde auf die höchste Stufe gesetzt. Nach etwa einem Jahr auf der Warteliste, davon zwei Monate mit höchster Dringlichkeit, wurde ihm im Oktober 2005 erfolgreich eine Lunge transplaniert.
 

Dankbarkeit für die Entscheidung des Spenders

 
"Meine Einstellung zum Leben hat sich verändert. Ich empfinde große Dankbarkeit für die Entscheidung des Spenders oder seiner Angehörigen. Bewusst und verantwortlich mit dem neuen Organ umzugehen, ist selbstverständlich für mich. Das schließt eine ständige Achtsamkeit mit Hygiene, Lebensführung und die tägliche Einnahme von Medikamenten ein", so Volker H. Diese Chance für ein neues Leben liegt nicht auf der Hand. "Ärzte haben mir in Gesprächen vor der Transplantation klar gemacht, dass ein Drittel aller Patienten, die auf eine neue Lunge warten, vorher sterben", so Volker H. weiter. Gefragt, was er sich für die Zukunft in Sachen Organspende in Deutschland vorstelle, ist seine Antwort ganz klar: "Ich favorisiere eine Widerspruchslösung für Deutschland. Jeder wäre per se Organspender. Und wer das nicht möchte, muss aktiv werden. Sicherlich ist das eine Art von Druck, aber den finde ich vertretbar bei der Notsituation vieler Menschen, die auf ein Organ warten."
 

Situation in Deutschland

 
Auf ein Spenderorgan warten allein in Deutschland über 12.000 Menschen. Jeden Tag sterben drei Menschen, die eine Organspende hätte retten können. Das bedeutet 1.000 Menschen sterben jährlich, weil nicht rechtzeitig ein geeigneter Spender gefunden wird. Jährlich werden knapp 4.000 Transplantationen erfolgreich durchgeführt. Doch die Zahl der Spenderorgane ist nach wie vor deutlich geringer als die Zahl der Patienten auf der Warteliste. Laut Deutscher Stiftung für Organtransplantation (DSO) stehen 80 Prozent der Bevölkerung der Organspende positiv gegenüber. Um Leben zu retten, würden 70 Prozent ihre Organe nach dem Tod spenden. Doch nur 25 Prozent haben einen Organspendeausweis.
 
NEUANMELDUNGEN UND LUNGENTRANSPLANTATIONEN IN DEUTSCHLAND 2010
DSO-5
Vergrößerung der Grafik
Die Grafik zeigt bei Lungentransplantationen einen erhöhten Bedarf (Neuanmeldungen bei Eurotransplant) gegenüber tatsächlich durchgeführten Lungentransplantationen.
 
Quelle: Eurotransplant
 
 
Viele mögliche Organspender werden in den Krankenhäusern nicht erkannt oder der zuständigen Koordinierungsstelle nicht mitgeteilt, berichtet die DSO. Nach dem Transplantationsgesetz (TPG) ist die Organspende eine gemeinsame Aufgabe aller Krankenhäuser. Sie sind verpflichtet, dabei mit der DSO und den Transplantationszentren eng zusammenzuarbeiten.
 

Strenge Regeln für eine Organspende

 
Das Transplantationsgesetz hat zwei Voraussetzungen für die Entnahme von Organen und Geweben festgelegt: Der Tod des Menschen muss festgestellt sein und eine Zustimmung muss vorliegen.
 
Die Diagnose Hirntod bedeutet der unumkehrbare Ausfall der Gesamtfunktion von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm und ist damit der sichere Nachweis des Todes. Die Untersuchung erfolgt durch zwei erfahrene Ärzte unabhängig voneinander. Bei der Entscheidung zur Organspende wird geprüft, ob der Patient eine schriftliche Erklärung verfasst hat, zum Beispiel einen Organspendeausweis besitzt, oder ob er seinen Willen den Angehörigen mündlich mitgeteilt hat. Diese Fragen klärt der behandelnde Arzt in einem Gespräch mit den Angehörigen.
 
Sich mit Krankheit und Tod auseinanderzusetzen, kostet Überwindung. Jeder sollte für sich selbst entscheiden, ob er bereit wäre, seine Organe zu spenden. Im Todesfall müssten darüber sonst die Angehörigen bestimmen. Sie haben dann nicht nur den Tod eines geliebten Menschen zu verkraften, sondern auch ein schwieriges ethnisches Problem zu lösen. Ein ausgefüllter Organspendeausweis kann die Entscheidung erleichtern.

 

 

 

Inhaltsverzeichnis
Nach oben