Frauenquote

Schröder verbittet sich Belehrungen aus Brüssel

 

 

40 Prozent Frauen in Aufsichtsräten - das fordert EU-Kommissarin Viviane Reding. Im SPIEGEL verwahrt sich Familienministerin Kristina Schröder (CDU) gegen ein Quoten-Diktat der EU. Frauen wollten "faire Chancen" und "kein Mitleid". Doch der Druck wächst auch in der eigenen Partei


Zwischen der EU-Kommission in Brüssel und der Bundesregierung ist ein heftiger Streit über die Einführung einer Frauenquote entbrannt. "Ich werde alles dafür tun, dass die Quote für Aufsichtsräte kommt", sagte EU-Justizkommissarin Viviane Reding in einem SPIEGEL-Streitgespräch mit der deutschen Familienministerin Kristina Schröder (CDU), und fügte hinzu: "Ich will 40 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten der börsennotierten Unternehmen bis zum Jahr 2020." Schröder erwiderte, Berlin brauche keine Belehrungen aus Brüssel.

 
Die deutsche Familienministerin lehnt die Quote strikt ab, dieser liege ein kollektivistisches Denken zugrunde. "Ich halte es für absurd, ganz unterschiedlichen Unternehmen, von der Stahlbranche bis zu den Medien, eine einheitliche Quote vorzuschreiben", sagte Schröder. Zudem habe Brüssel gar nicht das Recht, Deutschland so etwas zu diktieren: "Die Bundesregierung ist der Meinung, dass Brüssel uns keine Quote vorschreiben kann." Reding widersprach dieser Auffassung: "Schon seit den Römischen Verträgen von 1957 gibt es eine ausdrückliche Zuständigkeit Europas für die Gleichberechtigung von Mann und Frau."

 

Die Kommissarin sagte, die Selbstverpflichtungen der Wirtschaft für einen höheren Frauenanteil in Spitzenpositionen hätten praktisch keine Ergebnisse gebracht. In den großen börsennotierten Unternehmen in ganz Europa habe sich gezeigt: "Der Anteil von Frauen in den Aufsichtsräten und Vorständen ist im vergangenen Jahr von 12 auf 14 Prozent gestiegen", so Reding. "Sorry, das geht mir einfach zu langsam."

Schröder: "Wir wollen kein Mitleid"

Die 60-jährige EU-Politikerin warf der 34-jährigen Ministerin vor, mit ihrer Politik der Freiwilligkeit nicht genügend Druck auf die Unternehmen auszuüben. "Wissen Sie, als ich in Ihrem Alter war, habe ich auch mal geglaubt, wir Frauen schaffen es ohne Quote. Inzwischen weiß ich es besser."

Schröder hingegen will die sogenannte Flexiquote, nach der die Unternehmen sanktioniert werden sollen, wenn sie ihre selbst gesteckten Ziele nicht erreichen. "Ehrlich, Ihr Frauenbild ist mir zu passiv", griff Schröder Reding an. "Es ist doch nicht so, dass wir Frauen nur Opfer der Verhältnisse sind und keinen eigenen Kopf haben. Wir wollen kein Mitleid, wir wollen keine Bevorzugung, wir wollen einfach nur faire Chancen."

Der Druck auf die Familienministerin wächst allerdings auch in Deutschland. Denn wegen der fehlenden gesetzlichen Frauenquote drohen deutschen Unternehmen im europäischen Ausland Wettbewerbsnachteile. Dies geht aus einem internen Papier des Auswärtigen Amts hervor, aus dem die "Rheinische Post" zitiert.

Die Autoren der nicht öffentlichen Analyse der Europa-Abteilung des Auswärtigen Amts warnen laut Bericht vom Wochenende davor, dass deutsche Unternehmen in Zukunft möglicherweise nicht mehr an Ausschreibungen in Spanien oder Frankreich teilnehmen dürfen, da sie nicht die Voraussetzungen der dort geltenden Quotengesetze erfüllen. "Wenn sich ein deutsches Unternehmen für eine öffentliche Ausschreibung in Spanien bewerben will, dann hat das nur Aussicht auf Erfolg, wenn es die spanische Frauenquote erfüllt", bestätigte auch Viviane Reding der Zeitung. Die Quote liegt bei 40 Prozent bis 2015.

CDU-Männer unterstützen die Frauenquote

Auch innerhalb der Union wird der Ruf nach einer verbindlichen Regelung lauter. Die Vorsitzende der Frauen-Union, Maria Böhmer (CDU), reagierte alarmiert auf die Untersuchung des Auswärtigen Amtes. "Wir brauchen jetzt eine gesetzliche Regelung für mehr Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft", forderte sie und wird dabei auch von männlichen CDU-Abgeordneten unterstützt. Jan-Marco Luczak etwa forderte in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" einen fraktionsübergreifenden Gruppenantrag zur Quote, wenn sich im Laufe dieses Jahres kein Ergebnis abzeichne. "Wir haben zehn Jahre auf Freiwilligkeit gesetzt. Das hat fast nichts gebracht", so Luczak. Auch der CSU-Abgeordnete Josef Göppel und der CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz sprachen sich für eine "gesetzliche Vorgabe" aus. Alle drei haben die "Berliner Erklärung" unterschrieben, in der Politikerinnen und Politiker aller Fraktionen eine Frauenquote von 30 Prozent für Aufsichtsräte fordern. Mittlerweile haben 15.066 Personen den Aufruf unterschrieben, zu den Erstunterzeichnerinnen gehört neben Böhmer auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU).

 

  
GrünenFraktionschefin Renate Künast warf der Bundesregierung Versagen vor. "Die Bundesregierung verschläft die Zukunft, weil Ministerin Schröder ideologische Debatte von vorgestern führt", sagte Künast am Wochenende in Berlin. Damit verweigere sie den Frauen die Gleichberechtigung und riskiere, dass Unternehmen Aufträge nicht erhalten.

 

Zugleich machte Künast auch die FDP dafür verantwortlich, dass es bislang keine Frauenquote gibt. "Wenn der FDP schon die Chancen der Frauen egal sind, sollte sie jetzt wenigstens angesichts der wirtschaftlichen Nachteile aufwachen", so Künast. Die FDP wird im Bundestagswahlkampf 2013 gegen die Frauenquote mobilisieren, wie die stellvertretende Parteivorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger am Wochenende im "Hamburger Abendblatt ankündigte. "Eine Quotenverpflichtung wird es mit uns nicht geben", sagte sie. "Wir haben die Emanzipation. Wir müssen doch nicht alten Modellen wie einer Quote nachlaufen."

In deutschen Chefetagen sind Frauen nicht nur selten - sie werden zudem auch wesentlich schlechter bezahlt als ihre männlichen Kollegen. Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern in keinem anderen europäischen Land so groß wie in Deutschland. Nach einer vergangene Woche in Berlin vorgelegten Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) liegt der Gehaltsunterschied im Schnitt bei einem Fünftel oder gut 1.000 Euro pro Monat. Demnach verdienten im Jahr 2010 vollzeitbeschäftigte Frauen in Führungspositionen im Mittel rund 3.860 Euro monatlich, ihre männlichen Pendants hingegen etwa 4.900 Euro.

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