Seit der Wiedervereinigung ist das Zusammenwachsen von Ost und West weit vorangekommen. Der Aufbau Ost hat dazu maßgeblich beigetragen. Die weitere Angleichung der Wirtschaftskraft sowie die Demografie sind die Schwerpunkte des aktuellen Jahresberichts der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit.
In den vergangenen Jahren hat sich Ostdeutschland trotz der Finanzkrise mit einem stabilen Wirtschaftswachstum erfolgreich behauptet. Die Arbeitslosigkeit ist weiter deutlich gesunken und erreichte im Sommer 2012 den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Der Prozess der wirtschaftlichen Angleichung zwischen Ost und West wurde selbst in der Krise nicht unterbrochen.
"Zugleich bleibt noch ein Stück Weg zu gehen, um die wirtschaftlichen Unterschiede in Deutschland entlang der ehemaligen Trennungslinie zu überbrücken", heißt es im Bericht. Eine Woche vor dem Tag der Deutschen Einheit hat das Kabinett den von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich vorgelegten Jahresbericht verabschiedet.
"Es hat sich viel Gutes entwickelt", sagte Friedrich in Berlin. Der Bericht belege, dass der Angleichungsprozess voranschreite und das Zusammenwachsen von Ost und West in vielen Bereichen positiv verlaufe.
Gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen
Für die Arbeit der Bundesregierung ist es ein Grundanliegen, gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland zu schaffen. Dabei ist sie auf vielen Gebieten bereits weit vorangekommen. Besonders in den Bereichen Bildung und Gesundheit sind keine Unterschiede zwischen Ost und West mehr sichtbar.
Auf einigen Feldern ist Ostdeutschland sogar Vorreiter, wie beispielsweise bei der Kinderbetreuung. Festzuhalten ist aber auch, dass es den einheitlichen ostdeutschen Wirtschaftraum nicht mehr gibt, da sich die Wachstumsmuster regional stärker ausdifferenziert haben. Um die noch bestehenden Unterschiede in der Wirtschaftskraft und am Arbeitsmarkt abzubauen, setzt die Bundesregierung Schwerpunkte:
- Förderung gewerblicher Investitionen, um vor allem die industrielle Basis weiter zu verbreitern,
- Ausbau der noch unterdurchschnittlichen Innovationskraft in der Wirtschaft,
- Unterstützung der wirtschaftlichen Vernetzung, um Nachteile aus der Kleinteiligkeit der Wirtschaftstruktur auszugleichen, und
- Stärkung der Exportorientierung.
"Sicherheitsnetz" für EU-Förderung
Bis 2019 ist der geltende Solidarpakt II die finanzielle Grundlage für den Aufbau Ost. In den Europäischen Strukturfonds werden die neuen Länder aufgrund ihrer wirtschaftlichen Entwicklung nach 2013 nicht mehr in die Höchstförderung fallen.
Die Bundesregierung setzt sich aber in enger Abstimmung mit den ostdeutschen Ländern für eine angemessene Anschlussregelung ein. Dies kündigte der Beauftragte der Bundesregierung für die Neuen Bundesländer, Christoph Bergner an. Er werde sich auf europäischer Ebene für ein "Sicherheitsnetz" von mindestens zwei Dritteln der bisherigen Leistungen in der neuen Förderperiode der EU-Strukturfonds einsetzen.
Wandel als Chance begreifen
Kaum eine Region in Europa ist so stark vom demografischen Wandel betroffen wie die neuen Länder. Diese Herausforderung sollte als Chance für innovative Konzepte zum Vorteil der Menschen vor Ort genutzt werden. Der Osten Deutschlands hat hier die Gelegenheit, beispielgebend für ganz Deutschland, Lösungen zu erarbeiten.
Mit ihrer Demografiestrategie hat die Bundesregierung einen übergreifenden Dialogprozess initiiert, der die Folgen des demografischen Wandels mitgestalten soll. Friedrich kündigte für den 4. Oktober den ersten Demografiegipfel der Bundesregierung an.
Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Fachkräfteproblematik. Mit der "Fachkräfteinitiative Ostdeutschland" sollen innovative und regionalspezifische Ansätze in Branchen mit hohem Wachstums- und Beschäftigungspotenzialen erprobt werden.
Investitionen und Innovationen in den neuen Ländern müssen weiter gestärkt werden, zum Beispiel in der Energiewirtschaft. Ostdeutschland ist eine wichtige Energieregion, vor allem für die Gestaltung der Energiewende.
Renten in Ost und West
Friedrich sagte, die Bundesregierung strebe nach wie vor eine Angleichung im Rentensystem an. Eine solche Maßnahme werde man aber nicht gegen den Willen der Landesregierungen in Ostdeutschland durchsetzen - und dort gebe es bislang keine einheitliche Haltung. Man müsse so ehrlich sein und sagen, dass eine Angleichung nicht automatisch eine höhere Rente für alle Ostdeutschen bedeute.
Das jetzige System berücksichtigt die unterschiedliche Lage in Ost und West. Die im Durchschnitt niedrigeren Löhne im Osten werden für die Berechnung der Rentenansprüche hoch gewertet. Die höheren Durchschnittslöhne im Westen spiegeln sich dort in einem höheren Rentenwert wider.