Kristina Schröder feiert das Kinderschutzgesetz als Meilenstein. Die Familienhebamme Jennifer Jaque-Rodney erzählt, wie es ihr nutzt, und was noch nicht klappt.
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Einen Meilenstein nannte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder am Mittwoch das Bundeskinderschutzgesetz, das seit dem 1. Januar 2012 in Kraft ist, um Kindern in Not schneller helfen zu können. Einer der wichtigsten Punkte des Gesetzes ist die Stärkung der Familienhebammen. Was eine Familienhebamme macht und wie der Kinderschutz ihre Arbeit verändert hat, erzählt Jennifer Jaque-Rodney.
ZEIT ONLINE: Frau Jaque-Rodney, was unterscheidet Sie als Familienhebamme von einer herkömmlichen Hebamme?
Als Familienhebammen sind wir bis zum ersten Geburtstag des Kindes zuständig und helfen im Alltag. Wir arbeiten oft mit Müttern, die unsicher oder überfordert sind und länger Unterstützung brauchen. Wir müssen ein besonderes Vertrauensverhältnis aufbauen.Jennifer Jaque-Rodney: Hebammen begleiten in der Regel schwangere Frauen und Frauen im Wochenbett, die medizinisch und psychosozial gesund sind und von sich aus Betreuung suchen. Ihre Arbeit wird über die Krankenkasse abgerechnet — die Leistungen, die erbracht werden, wie lange eine Frau betreut wird und so weiter.
ZEIT ONLINE: Wobei helfen sie den Frauen?
Jaque-Rodney: Wir begleiten die Frauen möglichst schon in der Schwangerschaft. Wir geben ihnen praktische Unterstützung und Tipps und erklären, was es bedeutet, die Mutter eines kleinen Kindes zu sein. Wie sie die Signale der Kinder richtig lesen können, um auf ihre Grundbedürfnisse einzugehen. Wann hat mein Kind Hunger? Wann will es schlafen? Wann muss ich mit ihm zum Arzt gehen? Auch den Säugling anzugucken, anzulächeln oder zu massieren, müssen manche erst lernen.
ZEIT ONLINE: Sind es in der Regel sogenannte Problemfamilien, die Sie betreuen?
Jaque-Rodney: Die Eltern, die wir besuchen, brauchen einfach mehr Unterstützung als andere. Oft sind die Mütter alleinerziehend, haben kein starkes familiäres Netz, sind sehr jung oder haben einen anderen kulturellen Hintergrund. Sie müssen nicht unbedingt schwerwiegende Probleme wie eine Alkohol- oder Drogensucht haben. Oft empfinden sich diese Familien auch nicht als problematisch und suchen deshalb von alleine gar nicht unsere Hilfe.
ZEIT ONLINE: Wie kommen die Leute denn zu Ihnen?
Jaque-Rodney: Die meisten werden von den Schwangeren-Beratungsstellen zu uns geschickt, oft schon in der frühen Schwangerschaft. Mit anderen kommen wir über die Jugendhilfe, das Gesundheitsamt, Kinder- und Frauenärzte oder über die eigentlichen Hebammenin Kontakt.
ZEIT ONLINE: Was hat sich seit dem Inkrafttreten des Kinderschutzgesetzes in ihrer Arbeit verändert?
Jaque-Rodney: Der Blick auf unsere Arbeit hat sich verändert. Hebammen erfahren jetzt mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung, auch von ihren Partnern in der Kinder- und Jugendhilfe. Wir werden mehr als Profession mit Fachwissen gesehen – also nicht mehr nur als Menschen mit gutem Herz. Dadurch hat unsere Tätigkeit auch Rahmenbedingungen bekommen, die sie vorher nicht hatte.
ZEIT ONLINE: Welche?
Die Kooperationspartner arbeiten jetzt häufiger mit uns zusammen als vor einem Jahr. Beratungsstellen wie die Caritas oder Pro Familia, andere freie Träger, Kommunen, das Gesundheitsamt oder das Jugendamt hätten vor dem Gesetz schon gerne mehr Familienhebammen eingestellt, hatten aber nicht die finanziellen Möglichkeiten. Das Gesetz hat uns auf jeden Fall etwas gebracht.