Die Rolle der Eu-Gegner

Europa-Wahl

 


Von Jörg Münchenberg


 

Bei der Europawahl 2014 haben die Wähler erstmals auch Einfluss auf die Leitung der neuen EU-Kommission. Damit nimmt Europa eine weitere Stufe der Demokratisierung. Extremisten fristen in Brüssel ein Nischendasein, doch durch ein geplantes Bündnis würde sich das auf einen Schlag ändern.

Für Europa ist 2014 ein herausragendes Jahr. Nicht nur, weil die Bürger zwischen Portugal und Athen, zwischen Helsinki und Rom über die Zusammensetzung des neuen EU-Parlaments bestimmen. An dieser Entscheidung hängt viel mehr: Denn erstmals haben die Wähler auch Einfluss darauf, wer demnächst die neue EU-Kommission leiten wird. Die Nachfolge von Manuel Barroso ist auf die Zustimmung der Abgeordneten angewiesen. Vielleicht kommt sie sogar direkt aus dem EU-Parlament.

Europa nimmt damit eine weitere Stufe der Demokratisierung. Denn die Kommission hat im komplizierten europäischen Räderwerk der Entscheidungsfindung eine zentrale Rolle. Sie ist die Hüterin der Verträge und damit gleichzeitig auch die Initiatorin von neuen Gesetzen. Hier ein bisschen mitzubestimmen - das könnte und sollte mehr Wähler an die Urnen locken. Zumal sich auch die Parteien derzeit alle Mühe geben, die Abstimmung zum neuen EU-Parlament attraktiver zu gestalten.

Eigene Spitzenkandidaten

Eigene Spitzenkandidaten sollen die Wahl stärker personalisieren, ihr ein Gesicht geben. Zugleich hat die Bedeutung der EU in den letzten Jahren zumindest in der Binnenwirkung weiter zugenommen. Egal, ob Bankenunion, Flüchtlingspolitik oder Freizügigkeit – überall redet Brüssel zumindest mit. Und gerade auch den Bürgern in den Krisenstaaten ist inzwischen schmerzhaft klar geworden, dass Entscheidungen auf europäischer Ebene das eigene persönliche Leben radikal beeinflussen oder verändern können.

Doch genau dieser Sachverhalt könnte sich bei der bevorstehenden Wahl als enorme Bürde erweisen. Europa hat derzeit wegen seiner bitteren Austeritätsmedizin vor allem bei vielen Südeuropäern einen denkbar schlechten Ruf. Das zeigen auch die Umfragewerte von Eurobarometer aus dem letzten Jahr. Demnach hatten zwei Drittel der Befragten im gesamten EU-Raum das Gefühl, dass ihre Meinung in der EU immer weniger zählt. Gleichzeitig ist das Vertrauen in die EU-Institutionen weiter geschrumpft.

Extremisten haben derzeit überall Zulauf

Viele werden deshalb erst gar nicht an den Wahlen teilnehmen. Oder antieuropäisch wählen. Überall haben die Extremisten derzeit Zulauf: In Griechenland, Finnland, den Niederlanden genauso wie in Frankreich unter Francois Hollande, der die aktuelle Wirtschaftskrise nicht in den Griff bekommt. Vielleicht auch in Deutschland, wenn sich die Alternative für Deutschland bis Mai nicht selbst zerlegt hat.

Wie groß der Stimmenanteil für Le Pen und Geert Wilders am Ende sein wird, ist derzeit noch offen. Dennoch sind die massiven Stimmenzuwächse der Populisten auf nationaler Ebene wie ein Menetekel für die anstehenden Europawahlen. Zumal der französische Front National sowie die rechtspopulistische niederländische Freiheitspartei PVV als Bündnispartner antreten wollen. Hält die Allianz der Rechten, hätte dies auch erhebliche Auswirkungen auf die Arbeit des EU-Parlaments.

Noch fristen dort die Extremisten ein Nischendasein. Das würde sich jedoch mit einem eigenen Fraktionsstatus auf einen Schlag ändern. Und damit auch die etablierten Parteien unter Druck setzen. Der Zwang zum Kompromiss gerade für Sozialisten und Europäische Volkspartei würde erheblich zunehmen. Zugleich könnte eine Radikalisierung im Plenum den Ruf des Parlamentes als Ganzes schädigen und damit auch seine Bedeutung tendenziell wieder schwächen.

Zwang zum Kompromiss würde erheblich zunehmen

Gerade deshalb sind die etablierten Parteien jetzt gefordert. Auch wenn angesichts der schwierigen Wirtschaftslage in vielen Mitgliedstaaten und der weitverbreiteten antieuropäischen Stimmung der Zulauf der Populisten schwerlich zu stoppen sein wird. Dass sich aber die CSU gleichzeitig mit den Rechten einen Parolenwettlauf bei der Armutszuwanderung liefert und somit versucht, Wählerstimmen abzugreifen, ist schlicht unverantwortlich.

Zumal die Antworten auf die wirklich entscheidenden Fragen bislang eher dürftig ausgefallen sind: Wohin will die Europäische Union? Wie und in welchen Bereichen kann die Wirtschafts- und Währungsunion weiter ausgebaut werden? Welche Rolle sollen künftig das Europäische Parlament sowie die vollkommen überdimensionierte EU-Kommission spielen und wie steht es um eine weitere Vertragsänderung?

Über diese Themenkomplexe sachlich zu diskutieren und zu streiten – das wäre die Aufgabe im bevorstehenden Wahlkampf. Denn für Europa ist 2014 ein herausragendes Jahr. Ob es auch ein gutes wird, muss sich erst noch erweisen.

 

 

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