Die Folgen des Transplantationsskandals sind noch lange nicht überwunden. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation spricht von einer erschütternden Jahresbilanz.

Die Zahl der Organspender in Deutschland hat 2013 einen Tiefpunkt erreicht. Mit 876 Spendern sank sie auf den niedrigsten Wert seit Verabschiedung des Transplantationsgesetzes im Jahr 1997, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung unter Berufung auf die vorläufigen Jahreszahlen der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO). Im Vorjahr waren noch 1.046 Spender registriert. Nach Angaben der Stiftung lag die Zahl der Organspender 2013 um ein Sechstel unter der Zahl des Jahres 2012.

Die DSO sprach von einer erschütternden Jahresbilanz. Bundesweit warten nach Angaben der Stiftung rund 11.000 Patienten dringend auf ein Spenderorgan wie Niere, Leber, Lunge oder Herz.

Die Zahl der gespendeten Organe sank um knapp 14 Prozent auf 3.034. "Nach dem starken Rückgang der Organspenden im Jahre 2012 hat sich diese dramatische Entwicklung 2013 noch weiter verschärft" sagte der Vorsitzende der Stiftung, Rainer Hess, der Zeitung. Die Stiftung betrachte diese Entwicklung mit großer Sorge. Man werde einen "langen Atem brauchen, um wieder Vertrauen aufbauen zu können".

Organspende

Ehe jemand als Spender infrage kommt, müssen zwei erfahrene Ärzte unabhängig voneinander denHirntod feststellen. Dieser tritt ein, sobald im Großhirn, im Kleinhirn und im Hirnstamm keinerlei Aktivität mehr gemessen werden kann. Damit die Organe nicht geschädigt werden, muss der Spender künstlich beatmet werden.

Die Daten des Spenders werden an die europäische Vermittlungsstelle Eurotransplant geschickt. Hier wird auf denWartelisten nach passenden Empfängern gesucht.Wenn geklärt ist, dass Organe entnommen werden dürfen, wird der hirntote Spender auf Tumorerkrankungen und Infektionenuntersucht. Das soll sicherstellen, dass der Empfänger eines Organs nicht gefährdet wird.

Anschließend werden dem Verstorbenen die Organe entnommen, die er bereit war zu spenden. Der Leichnam wird dann für eineAufbahrung vorbereitet und kann bestattet werden.

Die Organe werden gekühlt und verpackt und an ihrenBestimmungsort gebracht. Sie werden mit dem Krankenwagen transportiert oder in dringenden Fällen auch per Flugzeug ausgeflogen.

Spenden nach dem Tod

Wer in Deutschland nach dem Hirntod seine Organe spenden möchte, muss einer Entnahme ausdrücklich zustimmen. Seit dem 1. November 2012 gilt dazu ein neues Transplantationsgesetz: Jeder Krankenversicherte wird regelmäßig angeschrieben und gefragt, ob seine Organe im Todesfall verwendet werden dürfen.

Wie bisher gibt es einen Organspendeausweis. Darin steht, ob derjenige generell mit einer Organ- und Gewebespende einverstanden ist oder auch nicht. Die Bereitschaft lässt sich auch einschränken: Wer etwa nicht möchte, dass sein Herz entnommen wird, kann dies auf dem Ausweis vermerken.

Bisher wurden, wenn ein möglicher Spender zu Lebzeiten nichts verfügt hatte, nach seinem Tod dieAngehörigen gefragt, ob sie einer Spende zustimmen. Auch in Zukunft werden Angehörige informiert, wenn ein potenzieller Spender verstirbt. Maßgeblich ist juristisch dann aber der zu Lebzeiten formulierte Wille des Verstorbenen.

In Österreich und Belgien gilt eine Widerspruchslösung: Hier zählt jeder von Geburt an als Organspender. Wer gegen eine Entnahme von Gewebe und Organen ist, muss dies ausdrücklich erklären. Allerdings wird auch in diesen Ländern immer auch mit den Angehörigen gesprochen und geklärt, ob Einwände gegen die Spende bestehen.

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) hat die wichtigsten Fragen und Antworten zur Neuregelung der Organspende zusammengefasst.

Spenden im Leben

Das seit 1997 geltende Transplantationsgesetz regelt auch Organspenden während des Lebens. Auch nach der Reform von 2012 gilt: Wer zeitlebens etwa eine Niere spenden will, muss volljährig sein und über alle Risiken aufgeklärt werden. Ein Organ kann nur Verwandten, Ehegatten, Lebenspartnern oder engen Freunden gespendet werden. Jeder Lebenspender hat aber heute einen Anspruch gegen die Krankenkasse des Organempfängers auf Krankenbehandlung, Vor- und Nachsorge, Rehabilitation sowie Krankengeld.

Organe dürfen nur in den deutschlandweit gut 40 Transplantationszentren übertragen werden. Wer als Empfänger infrage kommt, ist auf einer Warteliste vermerkt. Bei jedem Organ wird geprüft, wer es am dringendsten benötigt und bei wem die Aussichten auf eine erfolgreiche Behandlung am größten erscheinen. Dabei ist es unabhängig, ob eine Person arm oder reich, berühmt oder der Öffentlichkeit unbekannt ist. Nach den jüngsten Skandalen wurden die Kontrollen verschärft.

Das Gewebegesetz ergänzt das Transplantationsgesetz und regelt unter anderem die Entnahme von Knochen, Knorpeln, Augenhornhäuten und Herzklappen.

Der Handel mit Organen ist nach dem Gesetz verboten und wird mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft. Abgeschwächte Strafen gelten für den Verkauf und Erwerb von Produkten, die aus Gewebe und Organen hergestellt worden sind.

Ein Grund für die mangelnde Bereitschaft zur Organspende seien die 2012 und danach bekannt gewordenen Manipulationen bei Organtransplantationen in Universitätskliniken, sagte Hess. Auch seien Ärzte und Krankenhäuser verunsichert, nach welchen Kriterien sie Patienten noch auf eine Warteliste für ein Spenderorgan setzen dürften. Verbessern könne sich die Lage möglicherweise durch die Massenanschreiben einiger Krankenkassen. Diese hatten ihren Versicherten Informationsmaterial und einen Organspendeausweis zugeschickt, mit der Aufforderung, sich für oder gegen die Spende zu entscheiden.