Im Gespräch mit einem Zeitzeugen spricht Merkel von einem „unumkehrbaren Prozess der eigenen Willensbildung“, der von dort ausgegangen sei.
Wählen gehen heißt zu DDR-Zeiten „Zettel falten“. Denn die Wählerinnen und Wähler können auf den Einheitslisten der „Nationalen Front“ keine Kandidaten ankreuzen, sondern müssen die Listen insgesamt akzeptieren. Wer eine Wahlkabine aufsucht, um die Liste durchzustreichen, macht sich verdächtig. Die Bürgerrechtsbewegung will diese Scheinwahlen nicht länger hinnehmen. Schon im Vorfeld macht sie die Kommunalwahl 1989 zu einem zentralen Thema. In Berlin und Dresden versuchen kirchliche Gruppen sogar, eigene Kandidaten auf die Liste zu bringen.
Tatsächlich nutzen mehr Menschen die Wahlkabinen als in den Vorjahren. Wahlbeobachter der Bürgerrechtsbewegung zählen die Stimmen, vor allem die Nein-Stimmen. Als die Staatsführung die offiziellen Zahlen veröffentlicht, zeigen sich erhebliche Abweichungen.
Regierung
Wahlbeteiligung 98,77 Prozent
Stimmen für die Nationale Front: 98,85 Prozent
Nein-Stimmen: 1,15 Prozent
Wahlbeobachter
Nein-Stimmen: durchschnittlich 7 Prozent (teilweise 10-20 Prozent)
Die deutlich sichtbare Manipulation treibt den Unmut über die Staatsführung und den Mut zu Protesten in der Bevölkerung voran. Bereits am Wahlabend gehen in Leipzig 1.000 Menschen auf die Straße. Viele Bürger treffen sich fortan an jedem 7. eines Monats zu Protestkundgebungen.
Die Wahlfälschung vom 7. Mai 1989 ist der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Immer mehr Menschen finden nun den Mut, für ihre Überzeugungen, ihre Rechte, ihre Freiheit zu kämpfen.